Kaufrecht

Werkvertragsrecht



 

Das Kaufrecht des BGB ist durch die sog. Schuldrechtsreform mit Wirkung ab dem 01.01.2002 umfänglich renoviert worden mit umfassend zwingenden Schutzvorschriften zugunsten des Verbrauchers.

 

Nochmals schwerer wiegen europarechtliche Vorgaben (Unionsrecht) aus jüngster Zeit, welche

- durchaus radikal - z. B. den Ersatz von Einbau-/Ausbaukosten der Kaufsache (Gerät oder Material) regeln, wenn die im Verlauf eingebaute Kaufsache (Baumaterial, Autoradio usw.) Mängel aufweist.

Vorgabe an den Bundesgerichtshof nach Anhörung des Europäischen Gerichtshofes ist diese: Erstattungpflicht des Verkäufers auch für solche Schäden und Aufwendungen. Vgl. BGH vom 21/12/2011 VIII ZR 70/80.

§ 439 Abs. 2 BGB wird zur eigenständigen Anspruchsgrundlage für Vermögensschäden.

Hier ergeben sich Risiken für den Verkäufer (Gewerbetreibenden) und analoge Chancen für den Verbraucher.

Die Verkäuferhaftung wird weit ausgeweitet.

 

Das neue Urteil vom 30/04/2014 VII ZR 275/13 knüpft an diese Rechtsprechung nochmals an und spricht einem Käufer die Kosten für ein Sachverständigengutachten zu. Der BGH bennent (wiederum) § 429 Abs. 2 BGB als eigenständige "verschuldensunabhängige" Anspruchsgrundlage.

Zu den dort genannten Aufwendungen zum Zweck der Nacherfüllung gehörten neben den ausdrücklich genannten insb. "Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten" auch die Kosten für ein Sachverständigengutachten, welche dem Käufer entstehen, um die Ursache der Mangelerscheinungen des Kaufgegenstandes aufzufinden.

 

Diesem Leitsatz mag hinzugefügt werden:

1. Die Sichtweise gründet wiederum auf die Auslegung der so genannten EG-Verbraucherrichtlinie Art 3 1999/44/EG durch den Europäischen Gerichtshof.

2. Die Sichtweise weitet die Haftung "schuldlosen" Verkäufers aus in Verantwortlichkeiten nicht nur für den Schaden an der Kaufsache, sondern weiter darüber hinaus für das Vermögen seines Käufers.

3. Ob die Haftung wirklich "verschuldensunabhängig" ist, scheint immerhin zweifelhaft: Der fragliche Verkäufer hatte zuvor das (objektiv) begründete Nachbesserungsverlangen des Käufers zurückgewiesen. Darin sollte Verschulden begründet sein.

4. Das Urteil hebt nochmals hervor, dass die Auslegung des § 439 Abs. 2 BGB nichts darüber sagt, an welchem Ort der Verkäufer seine Gewährleistung (Nachbesserung oder Nachlieferung) leisten muss.

Vgl. dazu BGH vom 13/04/2011 VIII ZR 220/10.

 

 



 

 Werkvertrag: Minderung schließt Anspruch auf Kostenvorschuss nicht aus

 

Hat ein Be­stel­ler wegen eines Werk­man­gels ge­min­dert, ist er nicht ge­hin­dert, spä­ter zur Be­sei­ti­gung des Man­gels einen Kos­ten­vor­schuss­an­spruch gel­tend zu ma­chen. Laut BGH schlie­ßt die Min­de­rung eine spä­te­re Kos­ten­vor­schuss­for­de­rung nicht aus.

 

 

Die Auftraggeber ließen sich auf ihrem Grundstück ein Haus bauen. Gegenüber der restlichen Werklohnforderung der Auftragnehmerin machten sie im Rahmen einer Widerklage zunächst eine Minderung geltend. Das LG sah den Wert des Hauses durch die monierten Mängel aber nicht gemindert und wies die Widerklage ab. Nach Hinweis des OLG im Berufungsverfahren, dass es daran nichts zu beanstanden gebe, schwenkten die Auftraggeber um und verlangten nun einen Kostenvorschuss zur Beseitigung der Mängel. Das OLG sah die Auftraggeber an der Umstellung auf einen Kostenvorschussanspruch nicht gehindert und gab der Widerklage schließlich überwiegend statt.

Die Revision der Auftragnehmerin dagegen hatte keinen Erfolg. Laut BGH kann der Besteller auch dann einen Kostenvorschussanspruch geltend machen, wenn er zuvor eine Minderung erklärt hat (Urteil vom 22.8.2024 - VII ZR 68/22). Ebenso wie der Besteller nach der BGH-Rechtsprechung nicht gehindert sei, einen Kostenvorschuss zur Beseitigung des Mangels zu verlangen, wenn er bereits einen Anspruch auf kleinen Schadensersatz geltend gemacht habe, schließe eine Minderung einen Kostenvorschussanspruch nicht aus, so der BGH. Nur so werde ein umfassender Ausgleich wegen des Mangels gewährleistet.

Doppelt vertragswidrig gehandelt: Kein schützenswertes Interesse des Unternehmers

Wähle der Besteller die Minderung, sei er nur mit einem Anspruch auf Nacherfüllung, einem Rücktritt und einem Anspruch auf großen Schadensersatz ausgeschlossen. Er könne sich aber weiter entschließen, den Mangel selbst zu beseitigen und für die Kosten einen Anspruch auf kleinen Schadensersatz (§§ 634 Nr. 4, 281 BGB) oder Aufwendungsersatz (§§ 634 Nr. 2, 637 Abs. 1 BGB) geltend zu machen.

Der BGH sieht kein schützenswertes Interesse des Unternehmers, nach einer Minderung nicht mehr auf die Kosten einer Mängelbeseitigung in Anspruch genommen werden zu können. "Es besteht nach der Konzeption der Mängelrechte durch die Schuldrechtsreform kein Grund, über das Erlöschen des Nacherfüllungsanspruchs hinaus die Dispositionsfreiheit des Bestellers zugunsten des Unternehmers einzuschränken." Vielmehr habe der Unternehmer doppelt vertragswidrig gehandelt: Weder habe er ein mangelfreies Werk hergestellt noch habe er seine Nacherfüllungspflicht erfüllt.

Sei der Besteller somit nach der Minderung weiter zur Selbstvornahme berechtigt, könne er vom Unternehmer einen Kostenvorschuss für den benötigten Betrag verlangen, der die Minderung übersteigt.

 

BGH, Urteil vom 22.08.2024 - VII ZR 68/22